Tamilische Schrift

Das tamilische Alphabet

Die tamilische Sprache wird von über 70 Millionen Menschen gesprochen. Sie ist eine der 22 offiziellen Amtssprachen Indiens und wird vor allem im südindischen Bundesstaates Tamil Nadu gesprochen. Außerdem ist Tamil Amtssprache in Sri Lanka und Singapur. Tamil gehört zur Sprachfamilie der (süd-) drawidischen Sprachen.

Herkunft und Entwicklung der tamilischen Schrift

Die tamilischen Schrift heißt auf Tamil tamiz ezuttu (dt. tamilische Buchstaben). Die Schrift hat ihren Ursprung in der südindischen Grantha-Schrift. Die Grantha-Schrift entstand über die Pallava- und Chera-Schrift aus einer südindischen Brahmi-Variante und wird teils heute noch in abgewandelter Form in Südindien verwendet, um die klassische hinduistische Sprache, das Sanskrit, zu schreiben. Die Brahmi-Schrift gilt als die Vorgängerin aller indischen Schriften.

Im 3. Jahrhundert vor Christus – genauer gesagt 254 v. Chr. – wurden die ältesten bekannten Sprachzeugnisse des Tamil in einer speziellen Form der Brahmi-Schrift als Steininschriften verfasst. Der älteste literarische Text in Tamil heißt Tolkāppiyam und wurde wohl um 200 vor Christus niedergeschrieben. Tamil kann also auf eine eigene Literaturgeschichte von mehr als 2000 Jahren zurückblicken und ist somit die einzige klassische und zugleich moderne Sprache Indiens.

Die ersten Druckerzeugnisse in Tamil-Schrift entstanden ab dem 16. Jahrhundert durch christliche Missionare. Auch einige orthographische Reformen der tamilischen Schrift gehen auf einen Missionar zurück: den Italiener Constantine Beschi (1680–1743).

Tamilische Schrift

Eigenschaften der Tamil-Schrift

Wie die meisten indischen Schriften wird die Tamil-Schrift nur für eine einzige Sprache, das Tamilische, verwendet. Nur vereinzelt werden auch Badaga oder Saurashtri, zwei in Tamil Nadu verbreitete Regionalprachen, in dieser Schrift geschrieben. Ganz selten schreiben auch tamilische Brahmanen Sanskrit in der Tamil-Schrift. Dafür mussten jedoch eigene Sonderzeichen entwickelt werden, damit die im Sanskrit vorkommenden, zusätzlichen Laute in der Tamil-Schrift ausgedrückt werden können.

Wie im ganzen südasiatischen Sprachraum herrscht im Tamil das Phänomen der Diglossie, d.h. der Zweisprachigkeit vor. Tamil kennt zwei Sprachformen. Die eine Sprachform ist die an das klassische Tamil angelehnte Hoch- bzw. Schriftsprache, die sich stark von der zweiten Sprachform unterscheidet. Die zweite Sprachform ist eine „Alltagssprache“, die im Gespräch mit Freunden und Bekannten und in informellen Texten (z.B. E-Mails und SMS) verwendet wird. Das tamilische Alphabet ist gut geeignet, die tamilische Hochsprache செந்தமிழ் (centamiḻ) zu schreiben.

Die Hochsprache vor allem in gedruckten Texten, in Rundfunksendungen und bei formalen Anlässen verwendet. Die Umgangssprache கொடுந்தமிழ் (koṭuntamiḻ) hingegen lässt sich eher schlecht aufzeichnen. Sie ist im mündlichen Sprachgebrauch die Sprache der ganz normalen Alltagskonversation.

Im 19. Jahrhundert versuchte man, eine geschriebene Version der tamilischen Umgangssprache zu erschaffen; diese wird heute hauptsächlich in Schulbüchern verwendet und ist in den Dialogen moderner tamilischer Prosa zu lesen.

Obwohl die Tamil-Schrift also eine typische indische Schrift ist, unterscheidet sie sich doch in zwei Punkten wesentlich von anderen indischen Schriften: Sie verfügt zum einen über eine deutlich geringere Anzahl von Zeichen, da in der Phonologie des Tamil die Aspiration (d.h. die Behauchung) und die Stimmhaftigkeit nicht über die Bedeutung eines Wortes entscheiden. Hinzu kommt, dass die tamilische Schrift keine Ligaturen, d.h. Verbindungen zweier Buchstaben zu einer formalen und optischen Einheit, kennt und eine Verbindung von Konsonanten durch einen über das Zeichen gesetzten Punkt, dem puûûi, dargestellt.

Schriftart: Tamil ist eine phonographische Schrift

Die tamilische Schrift ist eine „phonographische“ Schrift. Dies bedeutet, dass ein Schriftzeichen für einen gesprochenen Laut steht. Genauer gesagt handelt es sich – wie bei fast allen indischen Schriften – um eine Kombination aus Buchstaben- und Silbenschrift.

Ein solches Schriftsystem bezeichnet man auch als Abugida-Schrift oder „alphasyllabische“ Schrift. Die einzelnen Schriftzeichen stehen für Lautkombinationen, die wiederum aus kleineren Silbenzeichen bestehen.

Die Schrift des Tamil verläuft horizontal und rechtsläufig (d.h. von links nach rechts) und wird ohne Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinschreibung notiert. Da Tamil ursprünglich auf Palmblättern geschrieben wurde, entwickelte die Schrift runde Zeichen, da eckige Schriftzüge die Blätter sonst gespalten hätten.

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Schriftzeichen des Tamil

Es gibt 32 Laute im Tamil: 12 Vokale einschließlich zweier Diphthonge, 16 Konsonanten und vier Zusatzkonsonanten, welche in Lehnwörtern aus dem Englischen oder Sanskrit auftauchen.

Jeder dieser Laute wird durch ein eigenes Zeichen dargestellt: Die zwölf Vokale besitzen jeweils ein eigenes Zeichen, wie auch die 16 Konsonanten, von denen zwei jeweils zwei graphische Varianten besitzen. Es gibt also für die 16 Konsonanten 18 Schriftzeichen, die man lernen muss. Zusätzlich dazu enthält das Tamil-Alphabet noch fünf weitere Zeichen, die so genannten Grantha-Zeichen, die bestimmte Laute von Sanskrit-Lehnwörtern darstellen. Vier davon stellen die vier Zusatzkonsonanten dar, das Fünfte zeigt eine bestimmte Abfolge von Konsonanten an.

Dazu kommt ein spezielles Konsonantenzeichen, das āytam (ஃ). Es stammt aus dem Alt-Tamil, wo es den velaren Hauchlaut [h] darstellte. Heute hat es jedoch eine andere Funktion und wird stets vor das Konsonantenzeichen für p gesetzt und bezeichnet zusammen mit ihm den frikativen Laut [f] in englischen Lehnwörtern.

Durch Kombination der 18 bzw. (unter Einbeziehung der Granthazeichen) 23 Konsonanten mit den 12 unselbstständigen Vokalzeichen können 216 bzw. 276 Konsonant-Vokal-Verbindungszeichen gebildet werden.

Es gibt fünf verschiedene Vokale, die jeweils in einer Kurz- und Langform vorkommen. Die langen Vokale werden doppelt so lange gesprochen wie die kurzen. Neben diesen fünf Vokabel-Paaren gibt es noch zwei kurze Diphthonge. Sie werden durch eigene Schriftzeichen voneinander unterschieden.

In der alphabetischen Abfolge kommen zunächst die Vokal-Paare und Diphtonge, dann alle Konsonanten und zuletzt die fünf Granthazeichen. Jeder der 16 Konsonanten besitzt einen inhärenten, d.h. einen innewohnenden Vokal – das a. Der Konsonant க zum Beispiel wird ka gesprochen, wenn er alleine steht, der Konsonant ம wird als ma ausgesprochen.

Vokale

ZeichenTransliterationLautwert
a[ʌ]
ā[ɑː]
i[i]
ī[iː]
u[u]
ū[uː]
e[e]
ē[eː]
ai[ai̯]
o[od]
ō[oː]
au[ɑu̯]

Konsonanten

ZeichenTransliterationLautwert
k[k], [g], [x], [ɣ], [h]
[ŋ]
c[ʧ], [s], [ʒ]
ñ[ɲ]
ட்[ʈ], [ɖ]
[ɳ]
t[t̪], [d̪], [ð]
n[n̪]
p[p], [b], [β]
m[m]
y[j]
r[ɾ]
l[l]
v[ʋ]
[ɻ]
[ɭ]
[r], [tːr], [dr]
[n]

Grantha-Zeichen

ZeichenTransliterationLautwert
j[ʤ]
[ʂ]
s[s]
h[ɦ]
kṣ[kʂ]

Folgt dem Konsonanten ein weiterer Vokal, so wird das Konsonantenzeichen durch ein diakritisches, d.h. unselbstständiges Zeichen modifiziert. Dieses diakritische Zeichen wird an den Konsonanten angefügt. Dieses Zeichen wird auch als Sekundärvokalzeichen bezeichnet und kann nicht selbständig (ohne den Konsonanten) stehen.

Diakritische Zeichen sind kleine Zeichen wie Punkte, Striche, Häkchen oder kleine Kreise, die dem Konsonantenzeichen vor- oder nachgestellt werden (freie Formzeichen) bzw. ihm angehängt werden (gebundene Formzeichen). Der inhärente Vokal a wird in so einem Fall durch einen anderen ersetzt. Ein Beispiel ist கா für oder மா für . Konsonant und Sekundärvokalzeichen ergeben zusammen ein Silbenzeichen, welches das Grundelement der Schrift ist.

Somit gibt es zwei Arten von positionsbedingten Vokalzeichen: Primär- oder selbständige Vokalzeichen für Vokale am Wortanfang und Sekundär-oder unselbständige Vokalzeichen für Vokale in nachkonsonantischer Position mit Ausnahme des innewohnenden Kurzvokals -a.

Konsonanten mit Folgevokal

ZeichenTransliterationLautwert
ka[ka], [kʌ], [kə]
கா[kɑː]
கிki[ki], [kɨ]
கீ[kiː], [kɨː]
குku[ku], [kɯ]
கூ[kuː]
கெke[ke], [kɘ]
கே[keː], [kɘː]
கைkai[kai̯], [kɛi̯]
கொko[kɔ]
கோ[koː]
கௌkau[kɑu̯]

Ein „stummer Konsonant“ – d. h. ein Konsonant, dem kein Kurzvokal oder Vokal folgt (der somit am Wortende steht bzw. dem kein anderer Konsonant), wird mit dem puûûi, dem erwähnten Vokalausfallzeichen, gekennzeichnet. Dieses annuliert den jedem Konsonanten inhärenten Kurzvokal a und dieser Konsonant wird somit stumm. Deshalb besitzt auch jedes Zeichen in oben stehender Konsonantentabelle einen solchen Punkt.

Die alphabetische Abfolge ist wie folgt: Zuerst kommen die Vokale, dann die Konsonanten und zuletzt die Granthazeichen. Bei den Vokalen erscheinen die kurzen und langen Vokale in Paaren, wobei die beiden Diphthonge in diese Abfolge mit eingefügt werden. Die Konsonanten beginnen mit dem aytam, dann folgen die restlichen Konsonanten. Am Ende des Alphabets erscheinen die fünf Granthazeichen.

Die traditionellen tamilischen Zahlen kommen in modernen tamilischen Texten eigentlich nicht mehr vor. An ihrer Stelle werden zumeist die arabischen Zahlen verwendet.

Quelle: Sprachenlernen24

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